21. Juni 2018 - Abwechslungsreich und vielschichtig – so präsentierte sich gestern, Mittwoch, das Programm einer Fachkonferenz in Köln zu den „aktuellen Entwicklungen in der Lebensversicherung“. Die Reizwörter des Augenblicks wie „Provisionsdeckel“, Reform des LVRG und/oder Run-off wurden ausgiebig diskutiert und beleuchtet.
„Die Auseinandersetzungen in Berlin werden immer heftiger“, mit dieser Feststellung startete BVK-Präsident Michael Heinz seinen Diskurs zum Thema „Die Umsetzung des LVRG – Wirksamkeit und offene Handlungsfelder“. Das IdVW Institut für Versicherungswissenschaften e.V. an der Universität Leipzig hatte gestern in Köln eine Lebensversicherungs-Konferenz veranstaltet, auf der der Präsident des Bundesverbands Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) seinem Unmut Luft machte. Noch bevor er zum Thema LVRG kam, sorgte der LV-Provisionsdeckel für einen lebhaften Schlagabtausch. Michael Heinz gab zu verstehen, dass er jetzt die Versicherer in der Pflicht sehe, denn „wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“. Die Provisionen bei den Vermittlern seien spürbar zurückgegangen, während die Kosten der Versicherer sogar weiter gestiegen seien.
Hier setzte Heinz an: Die Versicherer investieren seiner Meinung nach zu viel Geld in die Digitalisierung und digitale Vertriebe (InsurTechs), während für die konventionellen Vermittler immer mehr das Nachsehen hätten. „Ich habe nicht den Eindruck, dass die Versicherer immer mit uns in einem Boot sitzen und wenn, rudern sie eventuell in die andere Richtung“, sagte Michael Heinz.
Beispielsweise habe ihn bei der Anhörung zur Vermittlerrichtlinie IDD im Bundestag in Berlin geärgert, dass der GDV Gesamtverband der deutschen Versicherer für Erleichterungen für den Digitalvertrieb plädiert habe; dagegen sollten die traditionellen Vermittler vor Ort die IDD voll umfänglich befolgen. „Wir setzen uns dagegen für eine Gleichbehandlung der Vertriebswege sein“, ereiferte sich Michael Heinz. Auch gestern machte der BVK-Präsident keinen Hehl daraus, dass ihm die Aktivitäten so mancher digitaler Vertriebe wie etwa das Vergleichsportal Check 24 ein Dorn im Auge ist. Per Gerichtsbeschluss fordert Heinz ein, dass sich Check24 den Kunden gegenüber als Makler zu erkennen gebe.
Bei seinen ebenfalls kritischen Anmerkungen zum LVRG und den Auseinandersetzungen in Berlin dränge sich ihm der Eindruck auf, dass seine Gesprächspartner aus der Politik über immer weniger Sachverstand verfügen.
Und zum „Lieblings-Stein des Anstoßes“ für Michael Heinz, dem Provisionsdeckel, sagte der BVK-Präsident, dass dies alles letztendlich nur wegen des Falles Memet Göker im Jahr 2013 entstanden sei. Auch da hätten die Versicherer ihr Päckchen Schuld dazu beigetragen.
Feststehe auf jeden Fall, dass das LVRG auf Vermittlerseite längst umgesetzt sei. Heinz: „Wir haben sozialpolitisch verantwortungsvoll gehandelt. Jetzt wolle die Bundesregierung die Abschlusskosten für die Lebensversicherungsprodukte noch weiter deckeln. Er stelle sich inzwischen die Frage, ob eine derartige Begrenzung der Provision überhaupt verfassungsgemäß sei. Und ob der Provisionsdeckel beziehungsweise der „atmende Deckel“, zu dem der Versicherungs-Exekutivdirektor der BaFin, Frank Grund angeregt hat, wirklich die Lösung sei, wolle er nicht beantworten. Michael Heinz sagte abschließend lediglich, dass seiner Meinung nach die Versicherer hier scheinheilig reagieren.
Gastgeber, der IdVW-Vorstand mit Lehrstuhl an der Universität, Professor Fred Wagner, diskutierte lebhaft mit und meinte schließlich nur, dass die Politik ideologiegetrieben sei, ließe sich nicht verschweigen.
Ein ganz anderes Fass im Veranstaltungsverlauf machte Heinz-Peter Roß auf, der seit 2014 als Vorstandsvorsitzender des inzwischen als Viridium Gruppe www.viridium-gruppe.com firmierenden Unternehmensverbunds durch den Ankauf alter Lebensversicherungsbestände das Thema Run-off in aktiv betreibt. Roß spricht nicht so sehr von Run-off, sondern bevorzugt die Aussage, dass es sich bei Viridium um ein "externes Bestandsmanagement" handele. Er plädierte für einen sensibleren Umgang mit den Begrifflichkeiten rund um das Thema. „Wir bewegen uns in einem emotional aufgeladenen Umfeld. Altersvorsorge ist nichts, womit man spielt. Das merkt man in den Diskussionen zu aktuellen Gesetzesvorhaben.“
Das wichtigste sei, dass alle Betroffenen beim Verkauf von Lebensversicherungsbeständen – wie sie zuletzt von Ergo und Generali für Schlagzeilen gesorgt hatten – besser und offen miteinander kommunizieren sollten. Der Verkauf von Beständen, der nicht kommunizierten werde, falle den Versicherern „auf die Füße”. Man dürfe nicht vergessen, dass der Verkauf von Beständen nichts Neues sei. Das habe es schon immer gegeben.
Der Viridium-Chef will „seinen“ Run-off wie ein neues Bestandsmanagements verstanden wissen. Doch jede Gesellschaft – so auch die Mitbewerber von Viridium – würden unterschiedliche Modelle verfolgen. Allerdings gebe es auch verbindende Gemeinsamkeiten. Heinz-Peter Roß betonte, dass das Viridium-Geschäftsmodell darauf abziele, die Kosten, vor allem die Fixkosten, durch ein ausgereiftes Bestandsmigrations-System auf eine einheitliche Standardsoftware zu lenken. Der Kunde und sein Vertrag müsse auf jeden Fall gegen den Verfall immunisiert werden.
Die LV-Bestände, so machte Heinz-Peter Roß deutlich, gehen runter. Aber die Fixkosten gehen nicht gleichzeitig zurück. Das bedeute, dass die Kosten pro Vertrag sogar explodieren – wie das bei den ehemaligen Protektor-Beständen der Fall war.
Man habe bei Viridium allerdings eine „Kostenimmunisierung” erreicht, die sicherstelle, dass auch will man in der Lage selbst „der letzte Vertrag noch seine zugesagte Leistung beibehalte“. Ein niedriges Storno sei das „A und O” für Viridium; das sei inklusive der Einsparungen Inhalt des Geschäftsmodells.
„Der Kunden muss sich bei uns wohl fühlen und wissen, dass wir mit der Spezialisierung seine Leistungen realisieren können“, sagte Roß. So sehe er sich auch mit der Entwicklung der Storni der drei bisher übernommenen Portfolien von Heidelberger Leben, der Skandia und der ehemaligen Protektor-Bestände bestätigt. Seinen Angaben zufolge waren die Storni der Heidelberger Leben von bei der Übernahme gezeigten 4,1 Prozent im Jahr 2014 auf inzwischen unter 3 Prozent gesunken. Innerhalb von drei Jahren war auch die Storno-Quote bei der Skandia Leben bis 2017 um gut 2 Prozentpunkte auf 5,1 Prozent zurückgegangen.
Als schädlich sieht der Viridium-Chef die Verteilungskämpfe im Altersvorsorgegeschäft an, so wie sie jetzt bei der Reform des Lebensversicherungsgesetzes an der Tagesordnung sind. So stmmte Hein-Peter auch nicht den Forderungen des BVK-Präsidenten nicht zu, wonach bei einer LVRG-Reform nicht die Abschlussprovisionen, sondern die Abschlusskosten gedeckelt werden müssten. Unterm Strich betonte Roß, dass Viridium ein Nieschenanbieter sei. „Stabile Kundenbeziehungen sind für uns das A und O“.
Die Fülle der angesprochenen Themen und die damit verbundene Brisanz während der Veranstaltung war noch sehr viel umfangreicher. Wir werden in den nächsten Ausgaben der bocquel-news weiter darüber berichten. (-el / Fotos E.Bocquel / www.bocquel-news.de)
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