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Heftiger Stress ist nach EbAV-Stresstest angesagt

28. Januar 2016 - Die europäische Aufsichtsbehörde hat die betrieblichen Altersversorgungssysteme in 17 EU-Ländern einem Stresstest unterzogen – mit dramatischen Ergebnissen. Bei den Rückstellungen zwischen Verpflichtung und Vermögen klafft europaweit ein Loch von 773 Milliarden Euro.

Die EIOPA europäische Aufsichtsbehörde (Foto) für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (https://eiopa.europa.eu) mit Sitz in Frankfurt/Main hat ihren Stresstest für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) 2015 veröffentlicht – mit ernüchterndem Ergebnis. Insgesamt hatte die EIOPA die Betriebsrenten in 17 europäischen Ländern dem Stresstest unterzogen. Insgesamt fehlen offensichtlich 773 Milliarden Euro an Rückstellungen. Zu den EbAV zählen in Deutschland Pensionskassen und Pensionsfonds. Ziel des Stresstests war es, die Widerstandsfähigkeit des europäischen EbAV-Sektors gegen mögliche negative Entwicklungen am Kapitalmarkt und gegen eine steigende Lebenserwartung der Leistungsbezieher zu testen. Medienberichten zufolge hatten Lobbyorganisationen und auch Deutschland lange versucht, den Test abzusagen oder zumindest abzuschwächen.

Das Ergebnis des Stresstests insgesamt sei ernüchternd, sagen nun die Experten. Bei vorgegebenen Kapitalmarktentwicklungen klafft den Angaben zufolge eine Differenz von 773 Milliarden Euro zwischen Verpflichtungen und Vermögen. Eiopa-Präsident Gabriel Bernardino (Foto) beschwichtigte, man solle die Ergebnisse nicht zu wörtlich nehmen, da die bAV-Verpflichtungen sehr langfristig seien. Mögliche Lücken könne man immer noch durch höhere Einzahlungen und ein Absenken der Betriebsrenten ausgleichen.

Von der deutschen Finanzaufsicht BaFin (www.bafin.de) ist dazu zu hören, dass die Ergebnisse des EIOPA-Stresstests bestätigen, dass eine andauernde Niedrigzinsphase für den deutschen EbAV-Sektor eine große Herausforderung bleiben würde. Dies gelte erst recht für die Szenarien der negativen Entwicklung der Kapitalmärkte und der steigenden Lebenserwartung der Leistungsbezieher, die im Stresstest simuliert wurden.

Politiker Giegold: Rückstellungen reichen bei weitem nicht aus
Sven Giegold, Sprecher der Grünen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung, beurteilte als einer der ersten von politischer Seite die Ergebnisse. Danach zeichnen die nun veröffentlichten Ergebnisse ein düsteres Bild. Die betrieblichen Altersversorgungssysteme mit garantierten Pensionszusagen leiden demnach unter „dramatischer Unterdeckung“. Die Rückstellungen der Unternehmen reichen laut Giegold bei weitem nicht aus, um die Pensionen zu finanzieren. Besonders in Großbritannien und den Niederlanden aber auch in Deutschland und Irland müssten dann die Unternehmen einspringen.

„Ganz finster wird es, wenn die Zinsen weiter niedrig bleiben“, sagt der Grünen-Politiker Sven Giegold (Foto). Der Stresstest habe die Unterdeckung der betrieblichen Altersversorgungssysteme offengelegt. Und die Europäische Aufsichtsbehörde EIOPA habe nun die schlimmsten Befürchtungen mit Zahlen bestätigt.

In den Kassen der betrieblichen Alterversorgungssysteme fehlen demnach bei einem Stressszenario 773 Milliarden Euro an Rückstellungen. Selbst wenn sich das Zins- und Vermögenspreisniveau stabilisieren sollte, würden 428 Milliarden Euro fehlen. Laut EIOPA-Bericht fehlen in Deutschland mindestens 15 Milliarden Euro. Sven Giegold erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass die nationalen Buchhaltungsvorschriften die Deckungslücke in den Bilanzen vieler Unternehmen verdecken würden.

Nach dem härteren Stressszenario fehlen in den Kassen der deutschen betrieblichen Alterssicherung 33 Milliarden Euro. Dabei wurden nur 57 Prozent des deutschen Marktes erfasst.

„Vogel-Strauß-Politik muss jetzt beendet werden“
„Die Vogel-Strauß-Politik bei Lebensversicherungen und betrieblicher Altersvorsorge muss jetzt beendet werden. Wir brauchen im Europaparlament wie im Bundestag eine offene und ehrliche Diskussion über die Deckungslücke durch die niedrigen Zinsen. Es ist nicht akzeptabel, die Probleme einfach in die Zukunft zu verschieben. Das wäre ein Griff in die Taschen der jüngeren Generation“, sagt Giegold.

Noch sei genügend Zeit um gegenzusteuern. Die Unternehmen hierzulande dürften nicht zu Pensionssicherungsgesellschaften werden. Sie müssten auch in Zukunft in der Lage sein, in Zukunftsjobs zu investieren. Unverantwortlich wäre laut Sven Giegold auch, insgeheim auf eine Staatshaftung zu setzen. Vielmehr sei es an der Zeit, Pensionäre und Unternehmen durch effektive europäische Regulierung zu schützen.

Die Lage der betrieblichen Altersversorgung sei noch dramatischer als der Stresstest zeigt. Denn ein realistisches Szenario mit langfristig niedrigen Zinsen und längeren Lebenserwartungen sei für den Stresstest erst gar nicht gerechnet worden.

Zudem wäre die Unterdeckung schon im Basisszenario viel höher ausgefallen, wenn mit realistischen Zinssätzen auch gerechnet worden wäre. Nach wie vor geht EIOPA im Referenzszenario von risikofreien Zinssätzen von 4,2 Prozent bei langen Laufzeiten aus ("ultimate forward rate").

Besorgte BaFin sieht weiter anhaltende Herausforderung
Auch bei der BaFin macht man sich Sorgen in Sachen EbAV. Die Ergebnisse des EIOPA-Stresstests bestätigen demnach, dass eine andauernde Niedrigzinsphase für den deutschen EbAV-Sektor eine große Herausforderung bleiben würde. Dies gelte erst recht für die Szenarien der negativen Entwicklung der Kapitalmärkte und der steigenden Lebenserwartung der Leistungsbezieher, die im Stresstest simuliert wurden.

Zusätzliche Zahlungen der Arbeitgeber
In einem ersten Resümee der BaFin heißt es dazu: „Es ist davon auszugehen, dass es in diesen Fällen zusätzlicher Zahlungen der Arbeitgeber bedürfte, um die Leistungen zu erbringen, die sie oder die EbAV den Versorgungsberechtigten versprochen haben. Bei Pensionsfonds ist die Möglichkeit zusätzlicher Zahlungen von Arbeitgebern in der Regel von vornherein in den Pensionsplänen vorgesehen, da der Pensionsfonds normalerweise nicht selbst eine Garantie gibt, sondern ausschließlich der Arbeitgeber.

Demnach greift bei Pensionskassen meist die im Betriebsrentengesetz verankerte Subsidiärhaftung des Arbeitgebers für die zugesagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. „Es ist davon auszugehen, dass die Anpassungsmaßnahmen der Unternehmen – gegebenenfalls verbunden mit zusätzlichen Zahlungen der Arbeitgeber – in aller Regel sicherstellen werden, dass die den Versorgungsberechtigten versprochenen Leistungen erfüllt werden können“, sagt Dr. Frank Grund (Foto), Exekutivdirektor der Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. - Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber im Bedarfsfall zu zusätzlichen Zahlungen an die Versorgungsberechtigten verpflichtet wäre. Um Sonderzahlungen des Arbeitgebers an die Pensionskasse zu erleichtern, hat der Gesetzgeber bereits das Einkommensteuergesetz geändert. Sonderzahlungen führen nun nicht mehr zu einer Besteuerung des Versorgungsberechtigten.

Im BaFin-Bericht wird daran erinnert, dass Pensionskassen in den vergangenen Jahren in Reaktion auf die niedrigen Zinsen bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen haben. Insbesondere hätten sie ihre Deckungsrückstellungen verstärkt. Der Anpassungsprozess, den die BaFin eng begleitet, sei in den nächsten Jahren fortzusetzen.

EIOPA veröffentlicht Bericht im Internet
Mit einem Klick auf https://eiopa.europa.eu/financial-stability-crisis-prevention/financial-stability/occupational-pensions-stress-test können die Ergebnisse im Detail in dem von der EIOPA veröffentlichten Bericht eingesehen werden. (-el / www.bocquel-news.de)

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