logo
logo

Konzepte und Kriterien

Gewinner und Verlierer rund um den hybriden Kunden

18. Dezember 2014 - Die Zeiten für die Versicherer werden härter. Aber auch der Versicherungs-Außendienst sieht sich Turbulenzen ausgesetzt und hat mit heftigem Gegenwind zu kämpfen. Wo führt das hin, fragten wir Ferdinand Graf Wolff Metternich, Partner der Oliver Wyman AG.

Ferdinand Graf Wolff MetternichDas Jahr 2014 brachte speziell für den Versicherungs-Außendienst und alle Vertriebspartner der Assekuranzen einige grundlegende Veränderungen. Allein das Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG), das am 1. Januar 2015 in Kraft tritt, sorgt derzeit in Maklerkreisen für Verunsicherung, bei manchen sogar für Panik, denn viele Versicherer wollen daraufhin die Abschlussprovision um 15 Prozent absenken. Ferdinand Graf Wolff Metternich, Partner der Oliver Wyman AG in Zürich (www.oliverwyman.de), legte in einem Gespräch mit den bocquel-news seine Sichtweise dar.

E. Bocquel: Ab Januar 2015 senken viele Versicherer nicht nur die Abschlussprovision um 15 Prozent, sondern sie könnten auch die Stornohaftungszeit für den Vertrieb verlängern. Könnte das die Existenz des einen oder anderen Maklerbüros tatsächlich gefährden?

Dr. Metternich: Der Trend ist eindeutig: die Provisionen in der Lebensversicherungen werden gesenkt und länger verteilt werden, abhängig von der jeweiligen Provisionsstrategie des einzelnen Anbieters. Wer glaubt, das Provisionsniveau bleibe gesamthaft erhalten, irrt. Die Frage ist nicht ob, sondern nur wann, ob schon im nächsten oder erst im übernächsten Jahr. Die Intention des Gesetzes geht ja auch eindeutig in diese Richtung; wer das verkennt, riskiert weitere gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Maßnahmen. Und wer seine Kunden mag, ist auch gut beraten, die Kosten zu senken, um die Lebensversicherung attraktiver zu machen.

Es heißt, dass sich der Versicherungsvertrieb insgesamt in stürmischen Zeiten mit heftigem Gegenwind sieht. Die Niedrigzinsphase macht ihm genauso viel zu schaffen wie den Versicherungsunternehmen - vor allem beim Neugeschäft. Und da ist neben dem allgemeinen Konkurrenzkampf auch noch die Verunsicherung der Verbraucher, die lähmend aufs Geschäft wirkt. Ist die Situation wirklich so dramatisch?

Dr. Metternich: Ich verwende ungern den Begriff dramatisch, das klingt immer so ausweglos. Aber zweifelsfrei ist, dass die Herausforderungen gewaltig sind: Kunden wollen weniger Lebensversicherungen kaufen, da die Attraktivität sinkt, sie verunsichert sind und sich nicht langfristig binden wollen.

Der Wandel im Kaufverhalten aufgrund der Digitalisierung ist eindeutig; der hybride Kunde wird Wirklichkeit, darauf müssen sich Vermittler einstellen. Die Zahl der jungen Kunden, die klassischerweise Lebensversicherungen gegen laufenden Beitrag als Vorsorge kauften, nimmt ab. Und: Die jungen Kunden verfügen oft über nicht ausreichende finanzielle Mittel. Für die zunehmende Anzahl möglicher Kunden, die sich in der Entsparphase ihres finanziellen Lebens befinden, fehlen oft die attraktiven Produkte.

Im für viele Vermittler nach wie vor umsatzstärksten Produkt, der Autoversicherung, sind Vergleichsportale und Autohersteller unerfreuliche Wettbewerber. Hier werden die Unternehmen im Vertriebswegemanagement Vermittlerproduktivität nachhaltig verbessern müssen.

Wie sollte das Büro eines Maklers und Vermittlers aufgestellt sein, damit er sich für die Zukunft fit fühlt? Oder besser, was könnte er versäumt haben, dass ihn stärker als die Anderen angreifbar macht?

Dr. Metternich: Kundenorientierung und Verbesserung der Kundenbindung sind entscheidend. Dies bedeutet, den Service zu verbessern und den Kundenkontakt deutlich zu erhöhen - mit dem Ziel, möglichst viele Mehrvertragskunden zu erhalten, die nachweislich stabiler in der Vermittlerbindung sind.

Attraktives Nicht-Leben-Geschäft steht hier im Vordergrund. Dies wird größeren Agenturen, die mit eigenen Mitarbeitern differenziert Kunden betreuen können, besser gelingen als kleinen Ein-Personen-Agenturen. Verbessertes und differenziertes Kundenmanagement durch die Gesellschaften im Wechsel von dezentralen und zentralen Aktivitäten wird ermöglichen, mit weniger Vermittlern mehr Kunden wirksam zu bearbeiten.

Wenn man mittelfristig von abnehmenden Vermittlerzahlen ausgeht, was zu erwarten ist, ist dies ohnehin unvermeidliche Notwendigkeit. Jeder Vermittler muss sich kritisch fragen, wie viele seiner Kunden eine wirkliche Bindung an ihn haben, ihn aktiv weiter empfehlen und Zukunftspotential haben. Dann kann er schnell ableiten, was er verändern muss, um zu den Gewinnern zu zählen.

Ich möchte gern Ihre Einschätzung kennenlernen, was die Aktivitäten in Sachen bAV (betriebliche Altersvorsorge) und bKV (betriebliche Krankenversicherung) angeht. Macht es Sinn, dass sich ein freiberuflicher Vermittler oder Makler darauf spezialisiert, oder sollte er das besser den Ausschließlichkeits-Vertretern in den Unternehmen überlassen, die ohnehin über eine eigene bAV- und/oder bKV-Produktschiene verfügen?

Dr. Metternich: Die Frage ist hier doch eher, ob ich als Vermittler den Zugangsweg zu Kunden und die notwendige Kompetenz habe und nicht, ob ich einen Zugang zu einem Anbieter finde. Gerade bei kleineren und mittleren Unternehmen ist die Verbreitung der bAV/bKV unbefriedigend; hier liegt das Potential für den durchschnittlichen Vermittler; hier kann er sich Abschlussmöglichkeiten erschließen, - vorausgesetzt, er ist bereit, sich auf längere Vorlaufzeiten und höhere Komplexität beim Abschluss einzulassen.

Zudem ist ja nicht ausgeschlossen, dass die politischen Ziele der Verbesserung der bAV, die im Koalitionsvertrag stehen, so umgesetzt werden, dass sich auch Markt-Chancen für Vermittler ergeben.

Abschließend noch die Frage: Was wird aus dem Zankapfel „Provision oder Honorarberatung"? Immer mehr Versicherer bieten inzwischen auch Netto-Tarife an. Sollten das möglichst alle Unternehmen tun, damit der Vermittler schließlich die freie Auswahl hat? Oder wäre es Ihrer Meinung nach angebracht, dass einige Versicherer sich als die Spezialisten ausschließlich auf Netto-Produkte in ihrem Portfolio stützen, während die anderen bei ihrer Methode mit der Vergütung auf Provisionsbasis bleiben sollten?

Dr. Metternich: Auch hier sollte man dem Markt die Chance geben, dies zu regeln und es jedem Unternehmen überlassen, ob es sich spezialisieren oder alles anbieten möchte.

Beim gegenwärtigen Anteil der Honorarberatung wird es ohnehin kaum Sinn machen, ausschließlich Honorartarife anzubieten, wenn man größeres Produktionsvolumen anstrebt. Ohne gesetzliches Provisionsverbot wird der überwiegende Teil des Marktes auch in Zukunft mit Provisionen arbeiten. Honorarberatung ist ja nicht per se besser für den Kunden.

Wie schätzen Sie ganz allgemein die Zukunft des Versicherungs-Außendienstes ein? Macht das Internet den Vertrieb mit persönlicher Beratung beim Kunden vor Ort eines Tages überflüssig?

Dr. MetternichDr. Metternich: Sicher nicht. Versicherungen bleiben in großem Umfang auch in Zukunft Produkte, die eine Beratung erfordern und die mangels Häufigkeit und Interesse wenig Routine beim Kunden entstehen lassen, die eine wesentliche Voraussetzung für beratungsfreien Verkauf ist.

Dies bedeutet aber nicht, dass sich nichts ändern wird. Die Zukunft gehört dem hybriden Kunden, der sich über alle Kanäle informiert und kauft und sich in seinem Verhalten immer wieder verändert. Kundenzugangs-, Kundenberatungs- und Vertriebskanalmanagement in der digitalen Welt unter Einbezug des Vermittlers ist somit erfolgsentscheidend.

Dies wird nicht ohne nachhaltige und umfassende Investitionen möglich sein. Wer das beherrscht und sich leisten kann, wird als Versicherer zu den Gewinnern zählen. Hier wird sich entscheiden, wer auch in Zukunft mitspielen kann oder ob man in die Abstiegszone gerät.

Vielen Dank für Ihre offenen Worte. Das Gespräch führte Ellen Bocquel. (www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.