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Konzepte und Kriterien

Finanzbranche: zu wenige Frauen sind Vorstand

20. Juni 2016 - Der Frauenanteil in Führungspositionen der Finanz-branche wächst kaum. In großen deutschen Finanzunternehmen ist nur jede zehnte Vorstandsposition mit einer Frau besetzt. Deutschland liegt auf Platz 24 unter 32 Ländern weltweit, die Oliver Wyman in einer Studie analysiert.

Frauen sind in Führungspositionen der Finanzbranche nach wie vor rar. Im internationalen Vergleich einer aktuellen Analyse des Beratungsunternehmens Oliver Wyman (www.oliverwyman.de) kommt Deutschland nicht aus einer der hinteren Positionen heraus. Der Aufstieg von Frauen wird hierzulande vor allem durch kulturelle Barrieren gebremst. Auch international bleiben Unternehmen des Finanz- und Versicherungssektors bei der gleichberechtigten Förderung von Frauen und Männern hinter den Erwartungen ihrer Mitarbeiter zurück. Ohne spürbare Veränderungen werde es weltweit erst ab dem Jahr 2048 ein Frauenanteil von 30 Prozent in den Vorständen geben, zeigt die zweite Auflage der Studie „ Women in Financial Services“ von Oliver Wyman sehr deutlich. Oliver Wyman hat dafür 381 Finanzunternehmen in 32 Ländern untersucht.

Deutschland liegt beim Frauenanteil in den Vorstands-Etagen nur auf Platz 24 von 32. Der Anteil von Frauen in den Vorständen und Aufsichtsräten der zehn größten deutschen Finanzorganisationen verharrt auf niedrigem Niveau. Lediglich jedes fünfte Aufsichtsratsmitglied ist hierzulande weiblich, in den Vorständen liegt der Frauenanteil bei nur 10 Prozent. Seit 2003 hat sich der Frauenanteil von einer niedrigen Ausgangsbasis ausgehend in den Aufsichtsräten zwar verdoppelt und in den Vorständen verdreifacht — doch seit 2013 ist er nahezu unverändert geblieben.


Deutschland liegt der Oliver Wyman-Studie zufolge international bei den Aufsichtsräten mit Platz 15 von 32 untersuchten Ländern im Mittelfeld und bei den Vorstandsmitgliedern mit Platz 24 im unteren Drittel. Im Durchschnitt aller betrachteten Finanzunternehmen beträgt der Frauenanteil in den Aufsichtsräten 20 Prozent und in den Vorständen 16 Prozent. Doch die Spanne ist groß, konstatieren die Oliver-Wyman-Experten. Laut ihrer Analyse stehen Länder wie Norwegen, Schweden und Thailand mit über 30 Prozent Frauenanteil in den Vorständen an der Spitze. Die Schlusslichter sind Japan und Südkorea mit weniger als 5 Prozent, wie die nebenstehende Oliver-Wyman-Grafik zeigt (zum Vergrößern bitte anklicken).

„Die größten deutschen Finanzunternehmen zählen zu den Instituten, die im internationalen Vergleich ohne Dynamik im Mittelfeld feststecken, während Länder wie Großbritannien, die USA, Polen, Italien, die Niederlande und Österreich zu den Aufsteigern zählen“, sagt Dr. Astrid Jäkel (linkes Foto: Oliver Wyman), Partnerin bei Oliver Wyman und Leiterin der Studie. Sie stellt fest, dass „kulturelle Barrieren“ den Frauen den Aufstieg in die Chef-Etagen erschweren. Die Ursachen für das Zurückbleiben deutscher Finanzinstitutionen reichen laut Astrid Jäckel tief. Hierzulande gebe es zwar zahlreiche frauen- und familienpolitische Maßnahmen, doch dies würde Frauen auch nicht zu mehr Präsenz und Gewicht in den Führungsgremien der großen deutschen Finanzunternehmen verhelfen.

Vielmehr sind es kulturelle Prägungen und Barrieren, die den Aufstieg von Frauen bremsen, wie die Interviews von Oliver Wyman mit Führungskräften zeigen. Demnach sind traditionelle Geschlechterrollen nach wie vor in vielen Köpfen verankert und sehen für Frauen eher die Mutterrolle, gegebenenfalls kombiniert mit einer Teilzeittätigkeit, als eine ambitionierte Karriere vor. Aus der Studie geht auch hervor, dass in Deutschland nur rund ein Drittel der befragten Frauen in der Finanzbranche aktiv eine Führungsposition anstrebt, während es im internationalen Vergleich fast zwei Drittel sind. „Das ist für uns ein Indiz für die hierzulande sehr ausgeprägten geschlechtsspezifischen Rollenbilder“, sagt Finja Carolin Kütz (rechtes Foto - oben: Oliver Wyman), Partnerin und Deutschland-Geschäftsführerin bei Oliver Wyman. „Zudem erschwert die in den Finanzhäusern oft gelebte Präsenzkultur, Familie und Karriere zu vereinbaren. Und trotz des gesetzlichen Anspruchs noch bestehenden Lücken in der Kinderbetreuung machen es auch beruflich ambitionierten Frauen schwer, ihre Ziele zu erreichen.”

Auch international klaffen Erwartungen und Leistungen auseinander
Die Befragungen der Unternehmensberater bei Oliver Wyman zeigen: Während die Mitarbeiter im Finanzsektor damit zufrieden sind, wie die Führungsspitzen die gleichberechtigte Förderung von Frauen und Männern als strategisches Ziel setzen, sehen sie in der praktischen Umsetzung viele Defizite. Zu oft würden Unternehmen Geschlechter-Diversität nur als Teil ihrer Corporate Social Responsibility-Strategie begreifen – nicht aber als betriebswirtschaftlichen Imperativ, um im Wettbewerb zu bestehen. Ein Blick auf die Karrierewege von Frauen zeige die daraus resultierenden Nachteile für Unternehmen der Finanzbranche, heißt es. Während junge Frauen und Männer mit ähnlich stark ausgeprägten Karriereambitionen in die Unternehmen einsteigen, verlassen demnach Frauen im unteren und mittleren Management ihre Arbeitgeber nicht nur deutlich öfter als ihre männlichen Kollegen, sondern auch mit einer 20 bis 30 Prozent größeren Wahrscheinlichkeit als Frauen in anderen Branchen.

Für Frauen in Finanzunternehmen gilt nach wie vor: die Kosten einer Karriere überwiegen häufig den erwarteten Nutzen. „Unsere Befragung zeigt, dass die halbherzige Unterstützung von Familien, wenig flexible Arbeitszeiten sowie intransparente Beförderungsprozesse und Gehaltsstrukturen die Bereiche sind, in denen die Leistungen der Finanzunternehmen als Arbeitgeber hinter den Erwartungen zurückbleiben,“ sagt Jäkel.

Mehr Frauen in Führungspositionen – nur zu gleichen Gehaltsbedingungen
Die Oliver-Wyman-Experten nennen mehrere unabdingbare Komponenten, damit Finanzunternehmen mehr Frauen in Führungsverantwortung bringen und das Potenzial der Diversität in den Unternehmen voll ausschöpfen: So müssten einer sorgfältigen Bestandsaufnahme, die unter anderem bestehende Gehaltsunterschiede und das Feedback der Mitarbeiter umfasst, rasch konkrete Maßnahmen folgen.

Offensichtlich streben gar nicht so viele Frauen Führungsverantwortung an, wie die nebenstehende Oliver-Wyman-Grafik zeigt (zum Vergrößern bitte anklicken). „Eine Karriereplanung, die Frauen langfristig und zuverlässig ihre Perspektiven aufzeigt, gehört für mich ebenso dazu wie Sponsorenprogramme für den weiblichen Nachwuchs und die Möglichkeit für Frauen und Männer ohne Nachteile in Elternzeit zu gehen oder in Teilzeit zu arbeiten,“ betont Oliver Wyman-Geschäftsführerin Kütz. „Vor allem kommt es darauf an, Frauen aktiv zu ermutigen, Führungspositionen auszufüllen, wenn sie nicht von selbst in die erste Reihe drängen. Gerade in Deutschland wird dann allzu oft irrtümlich vermutet, dass nur wer von sich aus nach der Führungsrolle greift, diese auch gut ausfüllt.”

Schließlich gelte es, im Arbeitsalltag durch Trainings, positive Beispiele und ein klares Bekenntnis der Führungskräfte eine Unternehmenskultur zu verankern, in der Gleichberechtigung auf allen Managementebenen selbstverständlich ist. (-el / www.bocquel-news.de)

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