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Konzepte und Kriterien

Deutsche Unternehmen setzen Existenz aufs Spiel

25. November 2020 - Hohe Forderungsrisiken lassen Firmen hierzulande um ihre Existenz bangen. Seit Beginn der Corona-Pandemie fielen 7 Prozent der Gesamtforderungen von hiesigen Unternehmen aus. Eine Studie von Atradius zeigt, dass jede zweite Firma in den vergangenen Monaten von Zahlungsverzügen betroffen war.

„Viele Unternehmen befinden sich aufgrund der Corona-Krise in der wohl schwierigsten Situation ihrer Firmengeschichte. Doch gerade jetzt sollten Lieferanten nur verantwortbare Risiken eingehen und nicht auf die Strategie 'Geschäftsabschluss um jeden Preis' setzen", sagt Dr. Thomas Langen, Senior Regional Director Deutschland, Mittel- und Osteuropa von Atradius(www.atradius.de).

So lässt sich ein großer Teil der deutschen Lieferanten in der Corona-Krise auf enorme Forderungsrisiken ein, um Umsätze zu erzielen und wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei setzen sie ihre Existenz aufs Spiel. Das geht aus dem aktuellen Zahlungsmoralbarometer Deutschland des internationalen Kreditversicherers Atradius hervor.

Demnach fielen seit Beginn der Pandemie 7 Prozent des Gesamtwerts der Forderungen von Firmen aus und mussten als uneinbringlich abgeschrieben werden. Das entspricht mehr als einer Verdreifachung zur Vorjahresstudie, bei der dieser Wert noch bei 2,1 Prozent lag. Der Anteil der deutschen Firmen, die in den vergangenen Monaten von Zahlungsverzügen betroffen waren, ist auf 53 Prozent gestiegen (Vorjahresstudie: 32 Prozent). Trotzdem planen mehr als zwei Drittel der Befragten, dass sie die Risiken für Zahlungsausfälle in den kommenden Monaten vom eigenen Unternehmen tragen lassen und in die Selbstversicherung gehen wollen. 34 Prozent der befragten Unternehmen gewährten seit März häufiger Zahlungsziele als vor dem Ausbruch der Pandemie, insbesondere bei Geschäften mit inländischen kleinen und mittelständischen Kunden. Die von den Studienteilnehmern eingeräumten Zahlungsfristen haben sich mit durchschnittlich 92 Tagen mehr als vervierfacht (Vorjahresstudie: 22 Tage).

"Die Ausweitung der Lieferantenkredite im Inland mag zwar eine Geschäftsbeziehung stützen und dem einen oder anderen treuen Abnehmer helfen, einen Liquiditätsengpass zu überbrücken. Mit jedem Tag, den eine Forderung offen ist, wächst jedoch die Gefahr eines Zahlungsausfalls. Auch mit den staatlichen Konjunkturpaketen und der zeitweisen Lockerung der Insolvenzantragspflicht ist das Zahlungsausfallrisiko aktuell extrem hoch, und das Geld, auf das Unternehmen zu lange warten oder im schlimmsten Fall gar nicht bekommen, fehlt ihnen an anderer Stelle, zum Beispiel um eigene Verbindlichkeiten zu decken. So geraten Lieferanten selbst schnell in Zahlungsschwierigkeiten und gefährden ihre eigene Existenz."

Transportbranche wartet im Schnitt 200 Tage auf Zahlungseingänge
Neben den 7 Prozent der Außenstände, die als uneinbringlich abgeschrieben werden mussten, lag der Wert der Forderungen, die auch 90 Tage nach Ablauf der Zahlungsfrist immer noch unbeglichen waren, bei 8 Prozent. Dieser erhebliche Anstieg des Ausfallrisikos hat die Eintreibungskosten vieler Studienteilnehmer deutlich erhöht.

So mussten 56 Prozent der befragten deutschen Unternehmen zusätzliche Kapazitäten bereitstellen, um offene Forderungen einzuziehen - ein deutlich größerer Anteil im Vergleich zu den durchschnittlich 37 Prozent der Firmen in Westeuropa, die angaben, solche Maßnahmen eingeleitet zu haben. 45 Prozent der deutschen Studienteilnehmer mussten aufgrund fehlender Zahlungseingänge auf externe Finanzierungen zurückgreifen.

Die hohen Eintreibungskosten der deutschen Firmen spiegelt auch der stark gestiegene DSO-Wert (Days Sales Outstanding, durchschnittliche Forderungslaufzeit in Tagen) wider. Dieser misst den Zeitraum zwischen der Rechnungsstellung und dem Zahlungseingang. Je kürzer diese Spanne ist, desto effizienter können Firmen ihre Außenstände einziehen und Liquidität generieren. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie stieg der DSO-Wert bei 41 Prozent der befragten deutschen Firmen um mehr als 10 Prozent und bei 53 Prozent der Umfrageteilnehmer um bis zu 10 Prozent. Nur 7 Prozent konnten ihre Forderungslaufzeit verringern. Unterm Strich liegt der durchschnittliche DSO-Wert deutscher Firmen derzeit bei 150 Tagen und damit weit über dem Wert für Westeuropa (98 Tage). Haupttreiber dieser Entwicklung ist vor allem die stark gestiegene, durchschnittliche Forderungslaufzeit bei Firmen in der hiesigen Transportbranche, wo der DSO-Wert zuletzt bei 200 Tagen lag, sowie bei Unternehmen in der Stahl- und Metallbranche (193 Tage).

Ausfallrisiko zu hoch: Bei 20 Prozent der Geschäfte wurde bereits kein Zahlungsziel gewährt

Das hohe Forderungsrisiko im Inland geht einher mit einer Risikosenkung im grenzüberschreitenden Geschäft, wo die Bereitschaft für Lieferantenkredite bei den deutschen Firmen zuletzt gesunken ist: Von den 20 Prozent des Umsatzvolumens, bei denen deutsche Unternehmen eine Rechnung mit Zahlungsziel ablehnten, entfiel ein Großteil auf Aufträge aus dem Ausland. Häufigster Grund für eine Ablehnung war die erhöhte Gefahr eines Zahlungsausfalls im Land des Abnehmers.

Für das Inlandsgeschäft geben sich die Unternehmen hingegen deutlich optimistischer. Trotz des weiterhin anhaltend hohen Forderungsrisikos wollen deutsche Firmen auch in den kommenden Monaten insgesamt mehr Lieferantenkredite vergeben. 70 Prozent der befragten Firmen erwarten zudem, dass sich die binnenwirtschaftliche Lage im kommenden Jahr verbessern werde. "Es deutet sich an, dass Corona nicht nur eine kurze Delle in der seit mehr als zehn Jahren steigenden Konjunkturkurve Deutschlands ist, sondern unsere Wirtschaft noch lange Zeit beeinträchtigen wird", sagt Dr. Thomas Langen. "In der jetzigen Phase sind Lieferanten gut beraten, wirtschaftlich grundsätzlich solide Kunden mit Zahlungszielen zu unterstützen, gleichzeitig aber offene Forderungen unbedingt auch zu versichern."

Das Atradius Zahlungsmoralbarometer
Das Zahlungsmoralbarometer Deutschland ist Teil des Atradius Zahlungsmoralbarometers West- und Osteuropa. Dieses enthält die Befragungsergebnisse zum Zahlungsverhalten im Firmengeschäft in 20 Ländern in den vergangenen zwölf Monaten. In Westeuropa wurden insgesamt mehr als 2.600 Firmen in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, den Niederlanden, Österreich, Schweden, der Schweiz, Spanien und dem Vereinigtes Königreich befragt; in Osteuropa mehr als 1.400 Firmen in Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei, der Tschechischen Republik, der Türkei und Ungarn. (-ver / www.bocquel-news.de)

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