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Konzepte und Kriterien

Das ist Spitze: Deutsche Versicherer setzen auf RPA

29. November 2018 - Deutsche Versicherer haben die Vorteile der Robotic Process Automation (RPA) längst erkannt. Im internationalen Vergleich nehmen sie sogar eine Spitzenposition ein (World Insurance Report 2018). Mittlerweile kommt robotergesteuerte Prozess-automatisierung in allen Bereichen der Assekuranzen zum Einsatz.

Längst kommt in allen Versicherungssegementen (Sach-, Lebens- und Krankenversicherung) robotergesteuerte Prozessautomatisierung (RPA) zum Einsatz. Die große Mehrheit der deutschen Versicherer (89 Prozent) hat RPA-Systeme pilotiert (36 Prozent) oder bereits vollständig im Einsatz (54 Prozent). Die beiden RPA-Experten Frederike Luise Sturm (35) und Christian Eidherr (55) werfen einen Blick auf Motive, Einsatzfelder und Fallbeispiele. Sie arbeiten bei der Synpulse Deutschland GmbH, (www.synpulse.com/de/). Synpulse ist eine internationale Managementberatung und unterstützt seit Gründung im Jahr 1996 Versicherungsunternehmen und Banken. Mit rund 350 Mitarbeitern ist die Gesellschaft unter anderem in Zürich, Genf, Düsseldorf, Frankfurt, Bratislava, Wien, Singapur, Hongkong, New York und London vertreten.

Frederike Luise Sturm und Christian Eidherr berichten dass Versicherungs-unternehmen ganz unter-schiedliche Motive haben, um RPA einzusetzen.

Zum Meistern aktueller Herausforderungen der Assekuranz kristallisieren sich jedoch die folgenden besonders deutlich heraus: Zeitlich stark belastete Mitarbeiter und Teams werden durch Automatisierung entlastet. Monotone Arbeiten werden abgegeben. Für anspruchsvolle Aufgaben, in denen menschliche Kernkompetenzen gefragt sind, werden somit mehr Kapazitäten geschaffen. Zugleich ist RPA ein Mittel, um dem Fachkräftemangel und einer zu hohen Überstundenanzahl effektiv zu begegnen.

Compliance-Risiko sinken bei automatisierten Prozessen
Der Einsatz von RPA (robotergesteuerte Prozessautomatisierung) kommt auch den gestiegenen Kundenerwartungen an die Servicegeschwindigkeit entgegen. Schnellere Antwortzeiten und geringere Fehlerquellen sind mithilfe der Automatisierung realisierbar. RPA ist zudem ein nützliches Tool um die Flut an Regulierungsvorgaben zu bewältigen. Rechtliche Anforderungen im Compliance-Umfeld können berücksichtigt werden, ohne größere Anpassungen in den Kernsystemen durchführen zu müssen. Schließlich sinkt das Compliance-Risiko bei automatisierten Prozessen im Vergleich zu manuell ausgeführten Prozessen.

Einsatzfelder von RPA
Natürlich ist RPA immer dann interessant, wenn dauerhaft viele manuelle repetitive Tätigkeiten vorherrschen, wie beispielsweise in den Abrechnungs- und Schadensbereichen. Aber auch bei der Antragserfassung oder im Underwriting besteht Automatisierungspotential:

  • Bei der Antragserfassung kann RPA Medienbrüche vermeiden und bei der Eingabe derselben Informationen in diversen Systemen in deutlichem Maße Arbeitszeit einsparen. Auch die Erfassung von online abgeschlossenen Verträgen kann gut automatisiert werden.
  • Bei Schadensmeldungen können Daten aus verschiedenen Quellen schnell von einem Roboter zusammengestellt werden. Vorabprüfungen von gemeldeten Schadensfällen können unmittelbar automatisiert durchgeführt werden. Dies trägt zur Verringerung des Betrugsrisikos bei.
  • Im Underwriting kann der Risikoerfassungsprozess prozessoptimiert durchgeführt werden. Hierzu können auch Daten aus externen Quellen durch Roboter erschlossen und verwendet werden.
  • Auch zur Migration kleinerer und mittlerer Datenbestände werden Roboter unterstützend eingesetzt.

Anhand von zwei Fallbeispielen wird der Vorteil der Automatisierung noch deutlicher.

Fallbeispiel 1: Europäische Versicherungsgruppe
Eine europäische Versicherungsgruppe hat in ihrer deutschen Ländergesellschaft die Ablaufkündigung für fast alle Versicherungsarten im Sachversicherungsbereich mit RPA automatisiert. Im Schnitt werden pro Tag rund 120 Ablaufkündigungen von einem Roboter bearbeitet. Ziel der Automatisierung: Mehrere Mitarbeiter haben die zuständige Abteilung verlassen und können wegen der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht zeitnah ersetzt werden. RPA wurde zunächst als Zwischenlösung genutzt, um in einem Pilotsetup die grundsätzliche Eignung zu prüfen.

Der automatisierte Prozess kompensiert circa 75 Prozent der Arbeit, die zuvor von diesen Mitarbeitern ausgeführt wurde. In anderen Ländergesellschaften existieren ähnliche Initiativen. Der erste Roboterprozess läuft sicher und fehlerlos. Die Ablaufkündigung wird schnell und mit hoher Qualität erledigt. Daher soll die Automatisierung weiterer Prozesse in derselben Abteilung den Verlust der Mitarbeiter komplett kompensieren.

Die Aufgaben zwischen den verbleibenden Mitarbeitern werden neu verteilt. Zudem soll RPA gruppenweit angewandt werden, um manuelle repetitive Prozesse zu automatisieren.

Den Mitarbeitern soll künftig mehr Zeit eingeräumt werden für Aufgaben, die ihre menschlichen und spezifische fachliche Fähigkeiten benötigen. Hierzu wird ein gruppenweites RPA-Betriebsmodell erarbeitet und ein zum Team passendes RPA-Kompetenzcenter aufgebaut. RPA wird somit als Teil der Digitalisierungsstrategie der Versicherung in der Mitarbeitereinheit etabliert.

Wichtig für die Automatisierung war es, zu Beginn eine gute Prozessdefinition zu erstellen und eine Musterlösung zu definieren, um diese später zügig umsetzen zu können. Der Prozess war innerhalb von 24 Tagen automatisiert. Welche Synergien sich daraus ergaben, zeigt das Beispiel eines typischen Arbeitstags: Über 96 Prozent der Vorgänge wurden problemlos durch den Roboter bearbeitet und konnten ohne menschliche Intervention ausgeführt werden. Die Fälle, in denen die Kündigungsfrist bereits abgelaufen war, beziehungsweise in denen Pflichtdaten nicht verfügbar waren, wurden manuell weiterbearbeitet. Wurden zuvor noch 123 Fälle manuell bearbeitet, waren es nach Einführung von RPA nur noch vier.

Fallbeispiel 2: Schweizer Versicherung mit deutscher Filiale
Ziel eines Schweizer Versichers mit Filiale in Deutschland war es, die Qualität bei der Bearbeitung verschiedenster Prozesse zu erhöhen, um eine hohe Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Hierzu zählen unter anderem die richtige Übertragung von Daten – sprich die Vermeidung von Tippfehlern, und das Einhalten von Antwortzeiten gegenüber dem Kunden. Zudem sollten die Mitarbeiter bei einfachen Prozessen entlastet werden, damit sie die komplexeren Fälle ebenfalls mit entsprechender Qualität bearbeiten können.

In einer ersten Phase wurden mehrere Prozesse im Kfz-Versicherungsbereich automatisiert: die Antragstellung für Kfz-Versicherungen, die Erstellung von Schadensmeldungen seitens der Zentrale, die Erstellung von Schadensmeldungen bei den Vertrags-Kfz-Werkstätten.

Pro automatisiertem Prozess bearbeiten die Roboter zwischen 20 und 100 Vorgänge am Tag. Die Prozesse werden durch die Roboter über 50 Pozent schneller im Vergleich zur manuellen Bearbeitung durchgeführt. Je nach Komplexität des Prozesses dauerte die Umsetzung der Automatisierung mittels RPA zwischen 21 und 34 Tagen.

RPA-Wissen verankern und RPA-Kompetenzcenter einrichten
Die Versicherungsgruppe hatte von Beginn an das Ziel, das RPA-Wissen im Haus zu verankern und ein RPA-Kompetenzcenter einzurichten. Zunächst wurden Mitarbeiter geschult, um von Beginn an die Prozesse mit zu automatisieren und das Wissen so in der Organisation zu verankern. Parallel vereinbarte man Bewertungskriterien für die Analyse potentieller zu automatisierender Prozesse.

Gruppenweites RPA-Gremium entscheidet
Für die Prozesse mit RPA-Eignung wurden Business Cases errechnet. Im Anschluss priorisierte man, welche Prozesse als erstes automatisiert werden können, um zu Beginn gleich möglichst viel manuelle Bearbeitungszeit einzusparen. Außerdem wurde ein gruppenweites RPA-Gremium eingerichtet, um über die zu automatisierenden Prozesse formal zu entscheiden. Um dem RPA-Zyklus Leben einzuhauchen, führte man in der Gruppe eine RPA-Roadshow durch, die «bottom up» zahlreiche RPA-Prozessideen generierte. Die gesammelten Ideen wurden im Anschluss neben der grundsätzlichen Potentialanalyse und wirtschaftlichen Eignung strategisch abgeglichen: in den Bereichen, in denen die meisten Ressourcenengpässe existierten, automatisierte die Versicherungsgruppe die ersten Prozesse.

Wie entwickelt sich RPA weiter?
Die marktstärksten RPA-Anbieter, wie beispielsweise «Blue Prism» und «UiPath», entwickeln ihre Tools ständig weiter und verfolgen eine Strategie der engen Kooperation mit Anbietern von Tools verwandter Themen, wie künstlicher Intelligenz (beispielsweise Machine Learning, Natural Language Processing, Data Analytics), Texterkennung (OCR/ICR) oder Chatbots.

Diese Kooperationen erweitern den Spielraum für den RPA-Einsatz. So können beispielsweise unstrukturiert vorliegende Inputdaten, zum Beispiel handschriftlich ausgefüllte und eingescannte Antragsformulare, durch das intelligente Texterkennungs-Tool «ABBYY» strukturiert aufbereitet werden, sodass sie als Input für den RPA-Prozess dienen können.

Chatbots können vom RPA-Roboter getriggert Teile der Kommunikation mit den Kunden im Rahmen des RPA-Prozesses übernehmen. Bekannte Chatbot-Tools sind hier beispielsweise «Sevenbot», die sehr stark in der deutschen Sprache sind, sowie «Microsoft Bot Framework», «Dialogworkflow» (Google) oder «Recast».

Anbieter wie «Trust Portal» binden den «human in the loop» in den automatisierten Prozess ein, also den Menschen, der einzelne Schritte noch manuell ausführt, beispielsweise Datenergänzungen oder Freigaben. Dies geschieht über eine ansprechende und einfach zu bedienende Benutzeroberfläche, die ohne eigenen Programmieraufwand vom RPA-Entwickler erstellt werden kann.

RPA in Kombination mit weiteren Tools
RPA in Kombination mit weiteren Tools bietet Versicherungen folglich noch ungehobene Potenziale. „Um im Wettbewerb zu bestehen sollten deutsche Versicherer sich der technologischen Entwicklung weiterhin öffnen und ihre schon heute gute Position weiter ausbauen“, sagt Frederike Luise Sturm. Und Christian Eidherr ergänzt: „Mithilfe von RPA automatisierte Prozesse amortisieren sich in der Regel in weniger als einem Jahr und bieten so eine kostengünstige Möglichkeit, um Prozesse schnell und flexibel effizienter auszuführen. (Autoren F.L. Sturm und C. Eidherr / www.bocquel-news.de)

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