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Brexit - was passiert nun in der Versicherungswelt?

31. Januar 2019 - Im Augenblick ist Hamburg für Haftpflicht-Experten im Industrie-Bereich und in den Financial Lines „der Nabel der Welt“. Die Themenvielfalt bei der Euroforum-Jahrestagung Haftpflicht 2019 ist groß und brandaktuell. Da gehört der Brexit genauso dazu wie die Cyberkriminalität und die D&O (Managerhaftpflicht).

Das Plenum horchte auf, als gestern Morgen (Mittwoch) Mark Homan, der Executive Vice President – Casualty – Chubb Overseas General - aktuell nach der großen Brexit-Debatte am Dienstagabend im englischen Unterhaus zum Auftakt der Euroforum-Jahrestagung Haftpflicht 2019 einen Ausblick dazu hielt, was sich (aus Sicht eines großen internationalen Versicherers) auf dem internationalen Parkett passiert.

Nachdem die politische Brexit-Debatte in London am Dienstagabend ausging wie das Hornberger Schießen - ohne effektive Antworten oder gar Lösungen, interessierte sich das Versicherungsfachpublikum bei der Handelsblatt/Euroforum-Tagung (www.euroforum.com), was der Brexit beispielsweise mit einem Global Player wie der Chubb mit langjähriger Dependance in London macht. Zur Veranschaulichung verwies Homan auf den Brexit-Fahrplan (siehe nebenstehende Abbildung – zum Vergrößern bitte anklicken). Inzwischen hat der weltweit führenden Industrie- und Personenversicherer Chubb (www.com/de) seinen europäischen Hauptstützpunkt mit Wirkung zum 1. Januar 2019 von London in die französische Hauptstadt Paris verlegt. Chubb habe damit klar gemacht, dass es für seine Kunden, Makler und Partner Klarheit, Servicekontinuität und Gewissheit sicherstellen will, unabhängig vom endgültigen Ausgang der Brexit-Verhandlungen.

Den Sinn und Auslöser für den Brexit erklärte Mark Homan an Hand von Zahlen und Finanzen: Im Jahr 2017 beliefen sich die britischen Ausfuhren in die EU auf 274 Milliarden britische Pfund (entspricht nicht ganz 313 Milliarden Euro), was aber auch 44 Prozent aller britischen Exporte ausmachte. Im Umkehrschluss beliefen sich die britischen Importe aus der EU auf 341 Milliarden britische Pfund (358 Milliarden Euro), was 53 Prozent aller britischen Importe betrug. Der Anteil der EU an den britischen Exporten ist von 55 Prozent im Jahr 2006 auf 43 Prozent im Jahr 2016 gesunken und stieg 2017 wieder leicht auf 44 Prozent.

Ein relativ großer Teil der Briten war für den Brexit, den Ausstieg aus der (teuren) Europäischen Union. Inzwischen - nach mehr als zwei Jahren politischen Gerangels - sieht es nun so aus, dass sich praktisch nur noch zwei Möglichkeiten für eine endgültige Entscheidung bietet, der „weiche“ Brexit auf der Grundlage von vertraglichen Abkommen zwischen Großbritannien und der EU – oder der „harte Brexit“ – der Ausstieg ohne jegliche Übereinkünfte, was Handel und Wandel zwischen dem Vereinigten Königreich und den EU-Staaten komplett erschwert; ganz zu schweigen von der in die Hundertausende gehende Zahl der Arbeitsplätze in Großbritannien und in anderen europäischen Staaten – mit einem großen Anteil in Deutschland.

Inzwischen hat sich auch der britische Versicherungsriese Lloyd’s of London seiner Brexit-Probleme entledigt und nach einem Umzug Ende des vergangenen Jahres seines Büros in die belgische Hauptstadt Brüssel verlegt. Sämtliche Altverträge zu europäischen Risiken sollen bis Ende 2020 vom Mutterhaus in London nach Brüssel übertragen werden, heißt es.

Wie Mark Homan auf den Punkt brachte, sieht die derzeitige Sachlage zum harten Brexit so aus:

  • Handel: - Großbritannien kehrt zu den Regeln der Welthandelsorganisation zurück; die Auswirkungen von EU- und britischen Zöllen erhöhen den Warenpreis: die Qualität der Produkte verringert sich, da Großbritannien Zulieferprodukte anderweitig einkauft; die Hersteller verlagern ihren Betrieb in die EU, um Lieferverzögerungen bei den Komponenten zu vermeiden;-Chaos an der Grenze, dabei würden ein bis zehn britische Unternehmen in Konkurs gehen.
  • Menschen: Großbritannien führt eigene Einwanderungskontrollen ein; lange Verzögerungen an der Grenze; Expat-Zukunft unklar (1,3 Millionen Briten in der EU; 3,7 Millionen Europäer in Großbritannien). - Gibt es noch mehr Menschen, die davon betroffen sind?
  • Gesetze: EU-Gesetze würden übertragen, um sicherzustellen, dass im britischen Recht keine „schwarzen Löcher" entstehen. - Großbritannien unterliegt nicht mehr dem Europäischen Gerichtshof.
  • Geld: - Keine weiteren Beiträge zum jährlichen EU-Haushalt (circa 13 Milliarden britische Pfund – entspricht ganz knapp 15 Milliarden Euro). - Keine weiteren Subventionen aus der EU (beispielsweise 3 Milliarden britische Pfund = knapp 4,5 Milliarden Euro) für Landwirte im Vereinigten Königreich.
  • Irische Grenze: Außengrenzen zwischen Nordirland und Großbritannien werden erforderlich.

Dieses Szenario wünscht sich in der Versicherungswirtshaft niemand. Allein die regulatorische Unsicherheit ist fatal. Wie Mark Homan erklärte, ist nach dem Brexit dringend eine Beratung zu Solvency II und MiFID erforderlich. Diese Kapitalerwägungen hängen mit dem Endergebnis zusammen (WTO; Schweizer Modell; Norwegen-Modell). Unter anderem wird auch ein besonderer Fokus auf Bereiche wie Datenschutz erforderlich werden.

Betroffen sind auch die Niederlassungsfreiheit / Dienstleistungsfreiheit in ganz Europa sowie die Freihandelsabkommen, die erst nach dem eigentlichen Brexit Tag, nach dem 29. März 2019, geklärt werden kann. Was die Kompetenzen der Assekuranz betrifft, machte Homan deutlich, dass der Finanzdienstleistungssektor qualifizierte Arbeitskräfte braucht - unabhängig vom Brexit-Ergebnis.

Die Brexit–Auswirkungen auf Chubb hat der globale Industrie- und Personenversicherer längst alle Eventualitäten mit und durch den Brexit umgangen. Chubb verfügt mit weltweit Niederlassungen in 54 Ländern mit insgesamt 31.000 Mitarbeiterinnen sowie mit langjährigen Kooperationspartnern über eine umfassende weltweite lokale Präsenz. Auch in Deutschland ist Chubb in mehreren Großstädten und vor allem in Frankfurt/Main vertreten. Bei der Chubb werden circa 36 Prozent des Industriegeschäfts außerhalb der USA erzielt. Mit der Sitzverlegung der Chubb European Group SE von London nach Paris am 1. Januar 2019 kann der Brexit – wie immer er auch ausfällt – der Chubb kaum etwas anhaben.

Übrigens dauert die Euroforum Haftpflichttagung 2019 auch noch heute, Donnerstag, an. Darüber werden wir in unserer nächsten Ausgabe berichten. (-el / Fotos © Marc-André Hergenröder/ Euroforum / www.bocquel-news.de)

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